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04Mai2007

PHAGOS BILDER VON AMERIKA

Land: Germany Medium: Tages Zeitung / Posta Medien Art: -
Bild (0) Film (1)

PHAGOS BILDER VON AMERIKA

(Varengold-Bank, Hamburg, den 6.5.2007)

 

Die Fülle der Themen, der Motive, der Schauplätze, der Stufen und der von der Erde bis in den Himmel reichenden Dimensionen mag auf den ersten Blick verwirrend erscheinen. Bilder des amerikanischen Traumes und Abbilder der amerikanischen Alltagsrealität kontrastieren mit der
Zeichensprache der islamischen Mystik. Die Kuppel des Kapitols in Washington wird der Großen Moschee in Mekka anverwandelt. Pilger umkreisen sie, als wäre sie die Kaaba.

 

Damit provoziert Phago zugleich in beide Richtungen. Er schockiert seine muslimischen Glaubensgeschwister durch die gewagte Gleichsetzung der beiden Wallfahrtsorte, aber er stößt auch die Anhänger des american way of life vor den Kopf, weil er ihre Kulte als Ersatzreligion enthüllt. Aber Phago möchte auf seinen Bildern keinen Krieg der Kulturen inszenieren. Im Gegenteil: er möchte zwischen den Kulturen und Religionen versöhnen, möchte Zusammenhänge herstellen und Brücken bauen. In seinen Bildern begegnen sich Abend- und Morgenland, East meets West, Old Europe meets the brave new world. Im Mittelpunkt der hier gezeigten Werke - sie stellen naturgemäß nur einen kleinen Auschnitt aus dem Gesamtwerk des Künstlers dar - steht die Auseinanderstzung mit Amerika und der inzwischen global verbreiteten, vernetzten und vermarkteten amerikanischen Massenkultur. Ihr Glanz blendet und verblendet den Betrachter, er erhält auf Phagos Bildern surreale Züge.

Auf dem Times Sqare beginnen die Gegenstände der Waren Welt zu tanzen, die Bogenlampen breiten ihre Armleuchter wie tanzende Derwische aus. Phagos versucht das irisierende und irritierende Licht der Reklame einzufangen. Die nächtlichen New Yorker Taxis werden in ein magisches Licht getaucht, das aus einer anderen übersinnlichen Welt herüberleuchtet. Die Freiheitsstatue, die in der Wirklichkeit eher drohend und fackelschwingend wirkt, bekommt ein menschliches Antlitz, aber dieses Menschengesicht ist verhüllt und verschleiert.

Tanzende Derwische versuchen, der Freiheitsstatue den Schleier vom Gesicht zu reißen,
damit ihr wahres Wesen kenntlich wird. Amerika ist für Phago nicht nur ein geografischer
Ort, sondern Sinnbild unserer modernen, westlichen und globalen Lebensweise.
Das Gemälde"Mikro-Schrei", das sich auf Edvard Munchs berühmtes Bild "Der Schrei"
bezieht, zeigt unsere Alltagsrealität wie durch ein Mikroskop betrachtet.
Tanzende, sich windende und wendende Chromosomen sollen zeigen,
dass wir inzwischen bis in unsere genetische Beschaffenheit amerikani-
siert sind.

 

Noch plastischer - das ist sogar wörtlich gemeint - kommt diese Amerikabesessenheit in dem großformatigen Bild mit der amerikanischen Fahne zum Ausdruck. Hinter, unter dem Fahnentuch zeichnet sich schemenhaft die Familie des Künstlers ab, er selbst, seine Kinder, seine Frau. Doch es gibt Zeichen des Widerspruchs und des Aufbegehrens. An markanten Stellen reißt die Flagge, sie wird fadenscheinig, es treten schwarzrotgoldene Flecken hervor - Indizien dafür, dass der Künstler nach einer neuen Identität sucht, bunt gemischt aus amerikanischen, deutschen und türkischen Farbpartikeln. Dabei kann es sich nur um eine zusammengesetzte, eine Patchwork-Identität handeln.

An die Stelle der Sterne auf dem Sternenbanner treten neue Sternzeichen: der türkisch-islamische Halbmond, der jüdische Davidsstern, Symbole der Algebra und der Sexualität, ägypti-
sche Hieroglyphen, arabische Buchstaben und das chinesische Schriftzeichen für Glück und Harmonie: es entspricht - wie könnte es bei Phago
anders sein - einem tanzenden Derwisch.

Chinesische Zeichen tauchen noch einmal auf - in dem wunderschönen Bild der voll erblühten Tulpe, der nach dem türkischen Turban benannten Blume, die seit altersher die Pracht und die Poesie des alten Orients symbolisiert.
Das Bild zeigt in mikroskopischer Perspektive das Herzstück der Blüte. Der Fruchtknoten öffnet sich wie ein weiblicher Schoß, und ihm entspringen das Porträtbild des Künstlers, der türkische Halbmond und in goldener Übermalung die chinesischen Zeichen für Glück und für den Satz: "Ich bin da. Hier bin ich!"

Wie kommen die tanzenden Derwische ins Bild? Sie sind nicht nur Phagos
Duftmarken und Markenzeichen, sie führen in das Geheimnis seiner künstlerischen Sendung. Phago wurde vor vierzig Jahren nahe Konya geboren, der magischen Stadt im Inneren der Türkei, in der der mystische Theologe, Dichter und Denker Dschelaladdin Rumi gewirkt und den Orden der tanzen den Derwische gegründet hat. In seinem Medizinstudium und in seiner ärztlichen Ausbildung entdeckte der Künstler, dass die tanzenden Derwische von ihrer Gestalt her den Phagen, Viren und Chromosomen gleichen und sich wie sie frei, tänzelnd und schwebend im Raum bewegen. Die Phagoviren sind in seinen Augen nicht nur Krankheitserreger, sie können auch Gutes bewirken und Heilungsprozesse einleiten. Sie können sich sogar für höhere Ziele aufopfern. Ausgehend von dieser Wesensverwandtschaft hat Phago den Begriff des Phagosufismus entwickelt und hat davon auch seinen Künstlernamen abgeleitet. Wie eine geheime Botschaft überzieht die phagosufistische Zeichensprache auch Phagos Ikonen der amerikanischen Idole,allen voran Marilyn Monroe.

Bei oberflächlicher Betrachtung mag es scheinen - der Eindruck ist gewollt - , als wollte der Künstler nur die Altmeister der Pop-Art, Warhol, Pollock oder Liechtenstein, imitieren. Doch bei genauerem Hinsehen erkennt man die Unterschiede. Phagos Marilyn hat die Augen geschlossen. Sie hat den Blick nach innen gewandt. Der Künstler hat sie mindestens dreimal aufs Bild g bannt, zunächst noch im Stil der Pop-Artisten als übermalten Druck, dann als strahlende, aber bereits in sich gekehrte, dem Trubel der Welt abgewandte Schönheit, so als ahnte sie ihr späteres Schicksal. Auf dem dritten Porträt wird Marilyn noch weiter verinnerlicht, sie wird fast schon als Märtyrerin dargestellt. Tanzende Derwische versetzen sie in eine neue Dimension.Sie wirkt fast madonnenhaft, wie eine meditierende Mystikerin, die dem Ruhm dieser Welt Lebewohl gesagt hat. Eine DNA-Schleife schlingt sich wie ein modernen Heiligenkranz um ihren Kopf. Eine imaginäre Krone über ihrem Haar gibt ihr das Ansehen einer Himmelskönigin.

Auch Demi Moores Bildnis wird in ähnlicher Weise mystifiziert und überhöht.
Auf dem ersten Blick scheint sie zu schlafen. Doch bei genauerem Hinsehen
erkennt der Betrachter, dass sie onaniert. Sie versetzt sich in eine Traum-
welt, in eine höhere übersinnliche Sphäre. Ihr Kleid ist besetzt mit lauter tan-
zenden Derwischen. In einer zweiten Fassung wird Demi Moore noch mehr
zu einer Symbolgestalt. Aus ihrer realen Umgebung wird sie versetzt in eine
Welt voller Zeichen und Chiffren. Sie wird zugleich entindividualisiert und
entsexualisiert und verwandelt sich in ein reines Sinnbild. Sie wird zum Andachtsbild, zur Ikone einer Pseudoreligion, die dem Kult der Schönheit die höchsten Opfer darbietet. Phago hat sich produktiv mit der amerikanischen Pop-Art auseinandergesetzt. Er hat sie verfremdet, hat sie weiterentwickelt und hat sie sich ganz und gar zueigen gemacht. Er hat seinen eigenen Weg
zwischen Pop und Postmoderne, zwischen Realismus und Mystizismus,
zwischen Amerika, der Türkei und Deutschland, zwischen Kosmopolitismus und
Individualität gesucht und gefunden. Ich habe seine ersten Bilder vor mehr als
zehn Jahren gesehen und verfolge seither seine künstlerische Entwicklung.

Ich bestätige gern, dass er sich als Künstler und als Persönlichkeit in diesem Zeitraum mächtig nach vorn bewegt hat. Er ist reifer geworden und hat bereits mit
vierzig Jahren eine eigene unverwechselbare Bildsprache entwickelt. Phago ist mit Fug und Recht ein Gegenwartskünstler. Er ist zugleich ein Avantgardist, weil er zum Wegbereiter einer neuen grenzüberschreitenden,
multikulturellen und mehrdimensionalen Weltkunst geworden ist. Seine Bilder sind - das möchte ich gerade in diesem Hause, in dem das Geld regiert, hervorheben - Investitionen in die Zukunft.

Sie sind traditionsverbunden, sie sind gegenwartsbezogen und im besten Sinne zukunftsweisend. Phagos Bilder haben ihren Preis, aber sie sind diesen Preis wert. Ihr künstlerischer Mehrwert wird unsere vom Geschwindigkeitswahn ge triebene Zeit überdauern und auch noch dann vom zwielichtigen Glanz Amerikas Zeugnis ablegen, wenn diese Faszination längst erloschen ist und an dere Sterne, vielleicht türkische, arabische oder chinesische Sternzeichen, am Himmel aufleuchten.

Dr. PETER SCHÜTT
Film / Galerie
  • http://www.youtube.com/watch?v=7t1hKWr1kqs

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